In der nächsten Woche tagt das Europäische Parlament in Straßburg. Das Plenum stimmt u.a. über den Resolutionsentwurf über das Handelsabkommen zwischen der EU und sechs Staaten des südlichen Afrikas ab.
Die organisierte Ausbeutung von Arbeiter_innen durch die Umgehung von Arbeitsstandards und Sozialversicherungsabgaben und ihre effektive Bekämpfung ist ein weiteres wichtiges Thema auf der Agenda.
Auch die Rede von Kommissionpräsident Juncker zur Lage der Europäischen Union steht für nächste Woche an. Die Parlamentarier_innen erwarten klare Fingerzeige, die Aufschluss darüber bieten, wie sich die EU-Kommission im kommenden Jahr diesen Herausforderungen zu stellen gedenkt.
Zu einigen von diesen Themen, die sich auch auf unsere Heimatregion auswirken werden, bekommen Sie im Laufe der Woche genauere Informationen und hier eine kurze Vorschau:
HANDELSABKOMMEN MIT DEM SÜDLICHEN AFRIKA – VORSICHT IST GEBOTEN
Debatte Dienstag, 13.09.2016, ab 15 Uhr; Abstimmung Mittwoch, 14.9.2016, ab 12 Uhr
Hintergrund: Das sogenannte Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (Economic Partnership Agreement) soll die Handelsbeziehungen zwischen der EU und sechs Staaten des südlichen Afrikas regeln: Südafrika, Botswana, Lesotho, Mosambik, Namibia und Swasiland. Die langjährigen Verhandlungen endeten im Juli 2014. Mittlerweile haben alle Regierungen sowie die Parlamente der Region das Abkommen unterschrieben beziehungsweise ratifiziert. Am Mittwoch in Straßburg wird nun das Europäische Parlament entscheiden. Das Abkommen soll Handelsschranken zwischen dem südlichen Afrika und der Europäischen Union abbauen. Über ein gesteigertes Wirtschaftswachstum sollen so Arbeitsplätze bei beiden Partnern entstehen. Es handelt sich allerdings um eine sogenannte asymmetrische Liberalisierung. Das heißt, dass das südliche Afrika in einem Zeitraum von zwölf Jahren 80 Prozent seines Marktes für Europäische Produkte öffnen muss. Die Europäische Union hingegen öffnet ihren Markt zu 100 Prozent. Die EU gewährt den afrikanischen Staaten also stärker freien Zugang zu ihrem Markt als umgekehrt. Dadurch sollen Ungleichgewichte zwischen den Handelspartnern ausgeglichen werden, so dass beide Seiten von Marktöffnungen profitieren, die afrikanischen Länder aber Bereiche ausschließen können, wo ansonsten Nachteil für heimische Anbieter_innen oder Abnehmer_innen entstehen könnten. Das Abkommen enthält Schutzklauseln, die den afrikanischen Partnern die Möglichkeit einräumen, besonders sensible Produkte vor europäischen Importen zu schützen.
SPD- Position: Trotz Schutzmaßnahmen birgt das Abkommen die Gefahr, dass günstige europäische Produkte die Märkte des südlichen Afrikas überschwemmen und lokale Industrien sowie die Landwirtschaft geschädigt werden. Die Implementierung des Abkommens muss deshalb durch zivilgesellschaftliche Monitoring-Prozesse begleitet werden. In diesen müssen regionale und lokale Arbeitnehmer_innen- und Arbeitgeber_innenverbände sowie Nichtregierungsorganisationen vertreten sein. Nur mit Hilfe solcher Beobachtungsstrukturen kann bei negativen Auswirkungen des Abkommens ein frühzeitiger Alarm ausgelöst werden sodass Handelsschranken zum Schutz sensibler Produkte aktiviert werden können.
Ausblick: Nach der Ratifizierung des Europäischen Parlaments und der Parlamente in Südafrika, Botswana, Lesotho, Mosambik, Namibia und Swasiland wird die Implementierung beginnen. Durch die verlangsamte Liberalisierung wird sich der Prozess voraussichtlich über zwölf Jahre hinziehen.
SOZIALDUMPING STOPPEN – GLEICHER LOHN FÜR GLEICHE ARBEIT AM GLEICHEN ORT
Initiativbericht; Debatte am Dienstag, 13.09.2016, ab 15 Uhr; Abstimmung am Mittwoch, 14.09.2016, ab 12.30 Uhr
Hintergrund: Der Wettbewerb um die billigsten Arbeitskräfte spielt heimische gegen entsandte Arbeitnehmer_innen aus - dadurch werden nationale Ressentiments und Protektionismus geschürt. Beim Kampf um das europäische Sozialmodell führt der mangelnde Ehrgeiz der EU-Kommission und einiger Mitgliedstaaten zu einer Ausweitung des Sozialdumpings, des unfairen Wettbewerbs und der Marktverzerrungen. Die organisierte Ausbeutung von Arbeiter_innen durch die Umgehung von Arbeitsstandards und Sozialversicherungsabgaben macht dabei vor keiner Grenze halt und findet sich in sämtlichen Sektoren, wie etwa der Fleischverarbeitung, auf dem Bau, im Cockpit oder im Lastkraftwagenverkehr wieder.
EP-Position: Der Bericht gegen Sozialdumping aus der Feder des französischen Sozialdemokraten Guillaume Balas wurde im Ausschuss für Beschäftigung und Soziales des Europäischen Parlaments (EMPL) nach schwierigen Kompromissverhandlungen mit großer Mehrheit angenommen. Gerade im Hinblick auf die von der EU-Kommission bestätigte Revision der Entsenderichtlinie offenbarte der Initiativbericht Unterschiede zum konservativen Lager. Fundamentale rechtliche Unklarheiten im Text der Entsenderichtlinie und ihrer Umsetzung in den EU-Staaten werden hier verkannt und allein auf das Problem mangelhafter Kontrolle reduziert.
SPD-Position: Für die effektive Bekämpfung von Sozialdumping sind einerseits europaweite faire Regeln nötig. Andererseits muss es schärfere Sanktionen gegen Unternehmen geben, die gerade bei der Entsendung von Arbeitnehmer_innen die Vorschriften nicht einhalten. Auf Drängen der Sozialdemokrat_innen fordert der Beschäftigungsausschuss in seinem Bericht Reformen bei der Erfassung von Arbeitsleistungen und eine verstärkte Bekämpfung von sogenannten Briefkastenfirmen. Gleichwertige Arbeit, gleiche Rechte und fairer Wettbewerb - das müssen die Hauptanliegen eines gut funktionierenden Binnenmarkts sein, um nicht nur die Arbeitnehmer_innen, sondern auch die kleinen und mittleren Unternehmen zu schützen, die in Europa die wichtigste Quelle von Arbeitsplätzen sind. Die Sozialdemokrat_innen im Europäischen Parlament fordern zudem, bei der Überarbeitung der Entsenderichtlinie das Prinzip ‚Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort‘ gesetzlich festzuschreiben und ein vorbehaltloses System der Solidarhaftung für die gesamte Kette von Unterauftragnehmern einzuführen, das alle Wirtschaftssektoren umfasst.
Ausblick: Wird der Bericht angenommen, verabschiedet das Parlament zum ersten Mal einen umfassenden Report über Sozialdumping in Europa und setzt so die EU-Kommission unter Druck, weitere Reformen vorzulegen. Der Anstieg von Schwarzarbeit, Scheinselbständigkeit und Unterauftragsvergabe führt zunehmend zu prekären Arbeitsverhältnissen und einer Verschlechterung des Arbeitnehmerschutzes. Allerdings bleibt es fraglich, ob die Resolution in der vorliegenden Form angenommen wird, da es gerade bei zentralen Punkten zur Neuregelung der Entsenderichtlinie keinen Konsens mit der konservativen und wirtschaftsliberalen Seite gibt.
LAGE DER EUROPÄISCHEN UNION – ANFANG VOM ENDE ODER CHANCE FÜR DIE ZUKUNFT?
Debatte im Plenum am Mittwoch, 14.9.2016, ab 9 Uhr
Hintergrund: Wieder muss sich die Plenardebatte über die Lage der Europäischen Union mit zahlreichen Krisen und Herausforderungen auseinandersetzen: das Brexit-Votum, die Lage der Flüchtenden an Europas Außengrenzen, hohe Arbeitslosigkeit und lahmendes Wachstum - insbesondere im Süden der Union - sowie die akute Gefahr terroristischer Anschläge in Europa. Von Kommissionpräsident Junckers Rede werden klare Fingerzeige erwartet, die Aufschluss darüber bieten, wie sich die EU-Kommission im kommenden Jahr diesen Herausforderungen zu stellen gedenkt.
EP-Position: Alle im Europäischen Parlament vertretenen Fraktionen stimmen darüber ein, dass sich Europa angesichts der gegenwärtigen prekären Lage des Einigungswerks hinterfragen muss. Mit Ausnahme europa-skeptischer Fraktionen und Abgeordneter plädiert das Parlament für eine rasche Renovierung des sprichwörtlichen europäischen Hauses. Obwohl unter den Fraktionen unterschiedliche Rezepte diskutiert werden, ist den Vorschlägen gemein, dass sie die Handlungsfähigkeit und demokratische Legitimität Europas stärken wollen. Dies ist Voraussetzung dafür, dass die EU ihre Herausforderungen bewältigen und Anker für die Hoffnungen ihrer Bürger_innen werden kann.
SPD-Position: Die Europäische Union benötigt einen entschiedenen Politikwechsel, um an ihren multiplen Krisen und Herausforderungen nicht zu zerbrechen. Dabei müssen eine Überwindung überkommener Dogmen in der Fiskalpolitik und die Schaffung von Wachstum und Arbeitsplätzen im Vordergrund stehen, gerade in Krisenstaaten wie Griechenland. Denn Ereignisse wie das Brexit-Votum zeigen, dass viele Bürger_innen Europa nicht mehr als Garant für eine bessere Zukunft sehen. Von der Europäischen Kommission wird nun erwartet, dass sie einen klaren Kurs vorgibt. Denn derzeit bietet sich nationalen Egoismen und Alleingängen zu viel Spielraum, den es im Sinne eines solidarischen und handlungsfähigen Europas zu begrenzen gilt. Solche Klarheit wird von der Kommission nicht zuletzt in anstehenden Verhandlungen in Fragen der Flüchtlingspolitik und den Austrittsverhandlungen mit dem Vereinigten Königreich erwartet.
Ausblick: Die Plenardebatte zur Lage der Union liefert den Auftakt einer Vielzahl entscheidender Aussprachen und Verhandlungen zur Zukunft der Europäischen Union, die im kommenden Herbst stattfinden werden. Neben dem Europäischen Parlament wird auch der Europäische Rat im Rahmen einer informellen Debatte - ohne Großbritannien - über die Zukunft der Union beraten – und zwar am Donnerstag, 15. September sowie am Freitag, 16. September. Hiervon werden entscheidende Signale erwartet, aus denen sich auch institutionelle Veränderungen für die EU ergeben könnten.