In dieser Woche tagt das Europäische Parlament in Straßburg. Das Plenum stimmt u.a. über den Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses zur Abgasaffäre ab.
Zu diesen Themen, die sich auch auf unsere Heimatregion auswirken werden, bekommen Sie im Laufe der Woche genauere Informationen und hier eine kurze Vorschau:
ABRECHNUNG NACH DER ABGAS-AFFÄRE – EMPFEHLUNGEN DES UNTERSUCHUNGSAUSSCHUSSES
Resolution; Debatte am Dienstag, 05.04.2017, ab 8.30 Uhr;
Abstimmung ab 12.30 Uhr
Hintergrund: Im September 2015 wurde in den USA bekannt, dass der Volkswagenkonzern Diesel-Autos systematisch mit Abschalteinrichtungen ausgestattet hatte, um bei Tests die Abgaswerte zu manipulieren. Die Wagen waren im Test sauber, auf der Straße allerdings fahrende Dreckschleudern. Der Skandal sorgte auch in Europa für Empörung und lenkte den Fokus auf die großen Diskrepanzen zwischen Messergebnissen im Labor und realen Emissionen auf der Straße, die bei allen Herstellern bestehen. Zur Aufklärung der Hintergründe des Skandals setzte das Europäische Parlament im Dezember 2016 einen Untersuchungsausschuss ein, der die Rolle der Europäischen Kommission, die bestehende Gesetzgebung und ihre Umsetzung durch die Behörden in den Mitgliedstaaten überprüfen sollte. Nachdem der Ausschuss seinen Abschlussbericht abgestimmt hat, legt er nun dem Plenum eine Resolution mit Empfehlungen zur Abstimmung vor.
EP-Position: Der Untersuchungsausschuss kommt in seinem Abschlussbericht zu dem Ergebnis, dass es sowohl bei der Europäischen Kommission als auch bei den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten Versäumnisse gab, die den Abgasskandal begünstigt haben. Die Europäische Kommission hat demnach für die Entwicklung realitätsnaher Abgastests viel zu lange gebraucht und die Mitgliedstaaten haben ihre Einführung unnötig verzögert. Außerdem wurde geltendes europäisches Recht von vielen Mitgliedstaaten gar nicht oder nur mangelhaft umgesetzt. Die Europäische Kommission hat das zu lange geduldet und auch Hinweise auf Unregelmäßigkeiten bei den Abgastests nicht sorgfältig überprüft.
Der Untersuchungsausschuss empfiehlt daher eine Reform der Typgenehmigung. Hierzu soll eine EU-Agentur für Fahrzeugüberwachung eingerichtet werden. Marktüberwachung und Konformitätschecks im Automobilsektor müssen nach Auffassung des Ausschusses intensiviert und durch eine europäische Aufsicht ergänzt werden. Zudem fordert der Ausschuss, dass betroffene Verbraucher entschädigt werden und ein europäischer Rechtsrahmen für Sammelklagen geschaffen wird.
SPD-Position: Die Sozialdemokraten haben die Untersuchungen und den Abschlussbericht entscheidend geprägt. Sie unterstützen vor allem die Forderungen nach einer europäischen Agentur, die Typgenehmigung und Marktüberwachung in Europa kontrollieren soll. Stärkere Rechte für Verbraucher und verbesserte Möglichkeiten der Sammelklage sind ebenfalls Forderungen, die die Sozialdemokraten initiiert haben.
Ausblick: Sollte der Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses zur Abgasaffäre eine Mehrheit im Plenum bekommen, ist die EU-Kommission am Zug, auf die Forderungen zu reagieren.
START DER BREXIT-VERHANDLUNGEN – PRIORITÄTEN DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS
Resolution; Debatte am Mittwoch, 05.04.2017, ab 9 Uhr; Abstimmung ab 12 Uhr
Hintergrund: Die britische Regierung hat am Mittwoch, 29. März, den Austritt aus der Europäischen Union nach Artikel 50 des EU-Vertrages mitgeteilt. Jetzt läuft eine zweijährige Frist, in der die EU und das Vereinigte Königreich einen bilateralen Austrittsvertrag aushandeln.
EP-Position: Der Austrittsvertrag kann nur nach Zustimmung des Europäischen Parlaments in Kraft treten. Prioritäten für das Europäische Parlament sind die Wahrung der Unteilbarkeit der vier Grundfreiheiten der Europäischen Union - Personen, Waren, Dienstleistungen und Kapital - sowie der Schutz der Rechte der EU-Bürgerinnen und Bürger in Großbritannien. Mit einer einheitlichen Stimme der verbliebenen 27 Mitgliedstaaten gilt es, eine faire und ausgewogene neue Grundlage für die Beziehungen mit dem Vereinigten Königreich zu finden. Nach dem Austritt darf das Vereinigte Königreich nach Ansicht der EU-27 nicht besser dastehen als die EU-Mitgliedstaaten. Das Europäische Parlament wird sich noch vor der Verabschiedung der Verhandlungsleitlinien durch den Europäischen Rat mit einer Resolution zu den anstehenden Brexit-Verhandlungen positionieren.
Eine zentrale Rolle bei den Verhandlungen werden Haushaltsfragen spielen. Mit Großbritannien scheidet ein großer Beitragszahler aus der Union aus. Chefunterhändler Michel Barnier stellt den Briten eine Rechnung von bis zu 60 Milliarden Euro in Aussicht. Diese Zahl setzt sich vor allem aus rechtlich verbindlichen Verpflichtungen im Rahmen des Mehrjährigen Finanzrahmens zusammen, für die Großbritannien nun auch einstehen muss.
Gleichzeitig muss die Europäische Union den kommenden mehrjährigen Finanzrahmen (2021-2027) der EU-27 organisieren: Werden die übrigen Mitgliedstaaten mehr einzahlen oder wird der EU-Haushalt deutlich verändert werden müssen? Der Ausstieg Großbritanniens kann auch eine Chance sein. Denn mit den Briten geht auch der Briten-Rabatt und damit müssen auch andere Rabatte wie derjenige von Deutschland verschwinden. Der EU-Haushalt könnte somit fairer und transparenter werden. Dazu kommt, dass mit dem Brexit eine wesentliche Hürde für die Reform der EU-Eigenmittel wegfällt. Die britische Regierung hatte sich stets gegen eigene Mittel der EU eingesetzt.
Ausblick: Der Europäische Rat wird bei einem Sondergipfel am Samstag, 29. April die Verhandlungsleitlinien gegenüber Großbritannien festzurren. Anschließend wird der Rat für Allgemeine Angelegenheiten die Aufnahme der Verhandlungen formal autorisieren. Die Gespräche werden eine Mammutaufgabe für die Beteiligten. Sollte es innerhalb der Frist keine Einigung geben, verlieren rund 21.000 Rechtsakte der EU ersatzlos ihre Wirkung im Vereinigten Königreich. Das Europäische Parlament stimmt am Ende über den ausgehandelten Austrittsvertrag ab. Die Mitgliedschaft in der Europäischen Union wird voraussichtlich am 30. März 2019 enden.
MEHRJÄHRIGER FINANZRAHMEN – MITTEL GEGEN JUGENDARBEITSLOSIGKEIT AUFSTOCKEN
Debatte am Dienstag, 04.04.2017, ab 15 Uhr; Abstimmung am Mittwoch, 05.04.2017, ab 12 Uhr
Hintergrund: Die Europäische Union steht mit den Flüchtlingsbewegungen und der hohen Jugendarbeitslosigkeit in einigen Mitgliedstaaten vor enormen Herausforderungen - auch finanziell. Die anstehende Halbzeitüberprüfung des mehrjährigen Finanzrahmens (MFR) ist vor diesem Hintergrund eine gute Gelegenheit, an den entsprechenden Stellen nachzujustieren. Nachdem das Dossier seit November auf Eis lag, hat man nun eine Einigung gefunden. Bis dahin hatte sich der Rat der EU nicht auf eine gemeinsame Position verständigen können. Der Vorschlag des Rates sieht nun eine Aufstockung der Mittel für wichtige Programme wie die Jugendbeschäftigungsinitiative sowie für die Migrationspolitik bis zum Ende des MFR in 2020 vor. Zudem wird mit der Halbzeitüberprüfung der Haushaltsrahmen flexibler. Mittel können nun über Jahre und Ausgabenbereiche hinweg übertragen werden, sodass die EU in Zukunft besser und schneller finanziell auf Krisen- und Notsituationen reagieren kann.
EP-Position: Eine Mehrheit im Parlament hatte anfangs deutlich mehr Flexibilität und größere Mehrausgaben gefordert als der Ratsentwurf nun vorsieht. Dennoch wird es dem Ratskompromiss voraussichtlich zustimmen. Dass es überhaupt eine Halbzeitüberprüfung gab, war eine zentrale Forderung des Parlaments bei den Verhandlungen zum MFR in 2013. Dass die Regierungen nun auch eine größere Flexibilität möglich gemacht haben, wird von der Mehrheit im Parlament begrüßt, da nun besser auf Unvorhergesehenes reagiert werden kann.
SPD-Position: Die Halbzeitüberprüfung ist der Auftakt einer Reihe wegweisender Entscheidungen über den EU-Haushalt in den kommenden Jahren. Diese betreffen vor allem die finanziellen Folgen des Brexit. Aus Sicht der Sozialdemokraten ist der damit einhergehende Wegfall des Briten-Rabatts auch eine Chance, sämtliche nationale Haushaltsrabatte abzuschaffen und den EU-Haushalt damit fairer und transparenter zu gestalten.
Für Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ist klar, dass sich der kommende MFR von 2021 bis 2027 am Monti-Bericht orientieren muss: Der Anteil der Eigenmittel am EU-Haushalt muss deutlich steigen. Wir fordern schon lange eine europäische Finanztransaktionssteuer, die dem europäischen Haushalt zugutekommt. So können die Beiträge aus den nationalen Haushalten sinken, und die oft irreführende Diskussion um Nettozahler und -empfänger könnte endlich enden.
Ausblick: Sollte das Parlament mehrheitlich der Ratsverordnung zustimmen, treten die Änderungen am aktuellen Haushaltsrahmen, der bis 2020 läuft, umgehend in Kraft. Spätestens Ende dieses Jahres wird die Kommission ihren Vorschlag für den MFR von 2021 bis 2027 vorlegen.