MdEP Ismail Ertug
© Europäisches Parlament 2010 Ismail Ertug ist dabei, sich im Europäischen Parlament einen Namen zu machen
Die DVZ-Deutsche Logistik-Zeitung berichtet in einem aktuellen Artikel über die Arbeit unseres Amberger SPD-Europaabgeordneten Ismail Ertug im Verkehrsausschuß des EU-Parlaments. Der Beitrag gibt einen Eindruck vom Werdegang, der Tätigkeit, den Aufgaben und dem Einfluß des EU-Abgeordneten.
von Werner Balsen DVZ-Deutsche Logistik-Zeitung
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Im Verkehrsausschuss des Europäischen Parlaments (EP) steht die Debatte über die Transeuropäischen Verkehrsnetze auf der Tagesordnung. Den Bericht, der den Kurs des Hohen Hauses vorgibt, hat der Abgeordnete Ismail Ertug mit geschrieben.
"Kollegin, n Kollegn“! Jedes Mal, wenn Ismail Ertug im Verkehrsausschuss in seinen Beitrag die Anrede „Kolleginnen und Kollegen“ einstreut und die Worte dabei zu „Kollegin, n Kollegn“ zusammenzieht, wie es all jene tun, die die Begrüßungsformel oft verwenden, dann ist es kein Geheimnis mehr: Der Abgeordnete wurde unter Gewerkschaftern und Sozialdemokraten politisch sozialisiert. Deshalb sitzt er – vom Podium des Ausschussvorsitzes aus gesehen – auch immer auf der linken Seite, ganz gleich, in welchem Raum das Gremium tagt.
So ist es auch diesmal im Saal 2Q2 des Jòzsef-Antall-Gebäudes, einer der Bauten des EP, als es um die Connecting Europe Facility geht. Ertug steht auf, rückt das Mikrofon zurecht und weist die „Kollegin, n Kollegn“ darauf hin, dass in dem zur Diskussion stehenden Bericht „ein Punkt ganz rausgefallen ist: der Lärm“.
Ertug, seit 2009 SPD-Abgeordneter im EP, ist angekommen im Brüsseler Politbetrieb. „Er war am Anfang ein bisschen still“, sagt einer, der schon lange mit ihm zu tun hat. Aber wenn er jetzt Berichterstatter für die Transeuropäischen Netze ist, zeige er, dass er nicht auf Dauer unauffällig bleiben wolle. „Für so eine Aufgabe muss man schon den Finger heben.“ Zusammen mit seinem griechischen Kollegen Georgios Koumoutsakos von der konservativen Fraktion hat Ertug dem Verkehrsausschuss eine Analyse des Kommissionsvorschlags über „Leitlinien der Union für den Aufbau des transeuropäischen Verkehrsnetzes“ vorgelegt und damit die Position des Parlaments zu einem guten Teil vorbestimmt. Die Ausschussdebatten in den nächsten Wochen werden sich mit dem Bericht der beiden auseinandersetzen – und der Name Ertug wird noch oft zu hören sein in diesem Herbst. In der Kommission heißt es, er habe mit seinem Kollegen „einen sehr vernünftigen Bericht“ vorgelegt.
In seinem kleinen Büro im 13. Stock des Altiero-Spinelli-Gebäudes mit einem beneidenswerten Blick über das Brüsseler Zentrum erzählt der 36-jährige Abgeordnete von sich. „Sohn einer klassischen Gastarbeiterfamilie“ aus dem westtürkischen Izmir kam er im oberpfälzischen Amberg zur Welt. Die Familie wollte nur ein paar Jahre bleiben. Es sind mehr als 40 geworden. Ertug verbindet diese Information mit dem Hinweis, das zeige „eindrucksvoll, dass aus vielen sogenannten Gastarbeitern mittlerweile deutsche Staatsbürger geworden sind“. Auch bei der Schilderung seines Lebensweges lässt er das politische Statement nicht außen vor. Profi eben. Als Ismail Ertug „muss man sich mehr anstrengen, wenn man in Deutschland etwas werden will als jemand der Christian Müller heißt“, stellt er lakonisch fest. Er hat sich angestrengt. Nicht auf dem klassischen Bildungsweg – Gymnasium, Studium, akademische Karriere – ist er etwas geworden, sondern auf einem Bildungsweg, der eher zu einem türkischstämmigen Kind aus dem Amberger Arbeiter-Stadtteil Luitpoldhöhe passt: Realschule, Ausbildung zum Industriekaufmann, Weiterbildung zum Sozialversicherungsangestellten, zuletzt tätig in der strategischen Vertriebsberatung der AOK-Zentrale Bayern.
Daneben die politische Karriere: Juso, SPD-Ortsverein, Unterbezirk, Landesvorstand – und, „obwohl ich eher Sozial- als Europapolitiker war“, jetzt das EP. In den Verkehrsausschuss des Hohen Hauses wollte er „unbedingt“. Dass die Fraktion ihn dorthin entsandt hat, obwohl auch andere das anstrebten, freut ihn. Zwei große Landkarten an der Wand seines Büros zeugen von der Arbeit am Bericht über die Transeuropäischen Verkehrsnetze. Er zeigt darauf. „Das Erste, was einem einfällt, wenn man EU-Verkehrspolitik denkt, ist doch, dass alles getan werden muss, um ein durchgehendes Netz von Verbindungen zu haben. Nur so lässt sich der Binnenmarkt verwirklichen.“ Dafür „arbeite ich unheimlich gerne hier und bin dankbar, dass ich das machen darf“.
Für „diesen privilegierten Job“ nimmt er in Kauf, dass er seine Frau und die sechs Monate alte Tochter nur selten sieht. Denn montags geht es nach Brüssel und erst Donnerstag zurück in die Oberpfalz. Dort warten dann die Verpflichtungen im Wahlkreis, denn er will auch in der nächsten Wahlperiode wieder ins EP entsandt werden. Leute, die ihn in der Heimat erleben, nennen den Mann mit den türkischen Eltern „ein Oberpfälzer Original“ und sind sicher, „der spielt das nicht, der ist so“.
In Brüssel und Straßburg merkt man allenfalls am Zungenschlag, dass er südlich der Weißwurstlinie aufgewachsen ist. Aber auch im Parlament heben Kollegen aus anderen Fraktionen hervor, dass er nicht mit „der arroganten Attitüde vieler Abgeordneter“ auftritt. Er gilt als offen, als Teamplayer, als einer, der sich nicht zu schade ist, auch mit den Assistenten und Zuarbeitern seiner Parlamentskollegen freundschaftlich umzugehen. Das sagt viel aus über Ertug. Denn nicht wenige EP-Abgeordnete sind bekannt dafür, dass sie ihre Zuarbeitern wie Leibeigene behandeln.