Themenvorschau für die Plenarwoche des Europäischen Parlaments in Straßburg
In dieser Woche tagt das Europäische Parlament in Straßburg und stimmt im Plenum unter anderem über die Vorschriften für digitale Fahrtenschreiber, die Richtlinien zur Vergabe öffentlicher Aufträge (Konzessionen) und den Bericht über Maßnahmen zur effektiven Bekämpfung von Schwarzarbeit ab. Zu diesen Themen, die sich auch auf unsere Heimatregion auswirken werden, bekommen Sie im Lauf der Woche genauere Informationen und hier eine kurze Vorschau:
Digitale Fahrtenschreiber (Tachographen-Verordnung)
Debatte am Dienstag 14. Januar ab 15 Uhr, Abstimmung am Mittwoch 15. Januar ab 12 Uhr
Hintergrund: Mit der vorliegenden Überarbeitung soll die Tachographenverordnung an den aktuellen Stand der Technik angepasst und bürokratische Hürden abgebaut werden. Außerdem werden Fahrzeuge unter einer bestimmten Gewichtsgrenze und unter einem bestimmten Bewegungsradius von der Tachographenpflicht ausgenommen.
SPD-Position: Digitale Fahrtenschreiber verbessern die Selbstkontrolle von LKW-Fahrern, dämmen Manipulationen ein und verhindern Sozialdumping. Sie sorgen für faire Wettbewerbsbedingungen im europäischen Warenverkehr und erhöhen die Verkehrssicherheit. Die Sozialdemokraten begrüßen, dass die Gewichtsgrenze, ab der digitale Fahrtenschreiber Pflicht werden bei 3,5 Tonnen bleibt. Ein wichtiger Punkt für unsere Heimatregion war die Entfernungsregelung für die Befreiung von der Tachographenpflicht, bei der sich die SPD für eine Ausweitung auf 150 Km eingesetzt hat, um für Handwerker und andere Nicht-Berufsfahrer eine Senkung der Kosten und Bürokratie zu ermöglichen. Der ursprünglich geplante Radius von 50 Km konnte aber auf 100 Km ausgeweitet werden.
Öffentliche Auftragsvergabe – Sozialstandards statt Wasserprivatisierung
Debatte am Dienstag, 14. Januar ab 15 Uhr, Abstimmung Mittwoch, 15. Januar ab 12 Uhr
Hintergrund: Öffentliche Aufträge und Konzessionen machen knapp ein Fünftel des europäischen Bruttoinlandsproduktes aus. Sie sind nicht nur Garant für das Funktionieren der öffentlichen Verwaltung und Daseinsvorsorge, sondern auch wichtige Investitionsquellen für nachhaltiges Wachstum. Dies gilt nicht zuletzt in Zeiten wirtschaftlicher Stagnation. Die EU-Kommission machte im Dezember 2011 drei Richtlinienvorschläge, mit den Zielen einer effizienten Verwendung öffentlicher Mittel sowie der Sicherstellung hoher Qualitäts-, Umwelt- und sozialer Kriterien bei der Erbringung öffentlicher Aufträge. Der erste Vorschlag ist die Revision der Richtlinie zur generellen Vergabe öffentlicher Aufträge, der zweite die Revision der Richtlinie zur öffentlichen Auftragsvergabe durch Marktteilnehmer in den Bereichen Wasser, Energie, Verkehr und Postdienste. Eine dritte, neue Richtlinie soll die Vergabe von Konzessionen regeln.
EP-Position: Fraktionsübergreifend begrüßten Europaabgeordnete die gesetzlichen Vorhaben zur Regulierung des öffentlichen Vergabewesens. Durch die Vereinfachung und Vereinheitlichung von Verfahrensregeln für die öffentliche Auftragsvergabe soll etwa der Marktzugang für kleine und mittelständische Unternehmen verbessert werden. Klare Anforderungen an die Transparenz von Vergabeverfahren sollen zudem Korruption im Vergabewesen beenden. Soziale Dienstleistungen unterliegen lediglich den Anforderungen eines vereinfachten Vergabeverfahrens. Das Parlament konnte darüber hinaus die Heraufsetzung des Schwellenwerts für die Anwendbarkeit der Richtlinien für soziale Dienstleistungen von 500.000 auf 750.000 Euro durchsetzen. Teile der konservativen und liberalen Fraktionen distanzieren sich davon, die öffentliche Auftragsvergabe strategisch zur Schaffung von sozial integrativem und ökologischem Wachstum zu nutzen oder zur strikten Verpflichtung hoher Umwelt-, Arbeits- und Sozialstandards. Obgleich die erreichten Kompromisse deutliche Fortschritte in Richtung eines nachhaltigen Beschaffungswesens sind, das auf die Bekämpfung von Sozial- und Lohndumping und eine hohe Qualität der Daseinsvorsorge ausgerichtet ist.
SPD-Position: Die zentrale sozialdemokratische Forderung war die verbindliche Gültigkeit europarechtlicher, nationaler und tarifpartnerschaftlicher Anforderungen an die Arbeitsbedingungen und Umweltkriterien bei der Erbringung von öffentlichen Aufträgen. Dabei konnten die Sozialdemokraten durchsetzen, dass diese Kriterien auch für sämtliche Unterauftragnehmer gültig sind und somit soziale Standards und Umweltkriterien nicht mehr umgangen werden dürfen. Die öffentliche Wasserversorgung ist auf Druck der SPD explizit nicht Bestandteil der Konzessionsrichtlinie. Damit konnten die Parlamentarier ausschließen, dass durch die Richtlinie Liberalisierungsdruck auf bewährte Formen der öffentlichen Wasserversorgung entsteht.
Verbesserte Kontrollen gegen Schwarzarbeit in Europa
Debatte am Montag, 13. Januar ab 17 Uhr, Abstimmung am Dienstag, 14. Januar ab 12 Uhr
Hintergrund: Mangelhafte Arbeitskontrollen sind der Grund, dass 2012 der Anteil der Schwarzarbeit laut Stiftung Eurofund 18,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in den 27 EU-Staaten ausmachte. Allein in Deutschland hat die Volkswirtschaft einen Schaden von 750 Millionen Euro erlitten. Dem Deutschen Gewerkschaftsbund zufolge könnten durch die Bekämpfung von Schwarzarbeit in Deutschland mindestens eine halbe Million neue Jobs entstehen. Da die Fälle von Missbrauch im Kontext der Arbeitnehmerfreizügigkeit in der EU steigen, konsultiert die EU-Kommission zurzeit die Arbeitgeber, Gewerkschaften und Verbände, um eine Plattform für eine bessere Zusammenarbeit der nationalen Behörden einzurichten.
EP-Position: Viele Forderungen des Berichtes werden fraktionsübergreifend unterstützt, so etwa eine bessere Ausstattung von Arbeitskontrollbehörden in Europa, wirksame Sanktionsmechanismen bei Missbrauch sowie neue Trainingsprogramme für Arbeitskontrolleure. Maßnahmen auf europäischer Ebene wurden kontroverser diskutiert. So setzten sich die europäischen Sozialdemokraten etwa gegen Briefkastenfirmen und missbräuchliche Leiharbeitsfirmen ein. Die konservativ-liberale Mehrheit sperrt sich allerdings gegen jegliche verbindliche Maßnahme sowie eine bessere grenzüberschreitende Kooperation. Erwartungsgemäß werden ALDE und EVP über Änderungsanträge versuchen, den Bericht im Plenum zu schwächen.
SPD-Position: Die SPD-Europaabgeordneten unterstützen den Initiativbericht. Schwarzarbeit hat weitreichende Konsequenzen für die Gesellschaft, die öffentliche Haushalte, Sozialversicherungssysteme sowie den europäischen Wettbewerb. Arbeitskontrollen bekämpfen nicht nur Schwarz- sowie Zwangsarbeit und sorgen so für die rechtliche Abgabe von Steuern für die einzelnen Mitgliedstaaten, sondern sie schützen auch die Einhaltung von Sicherheits- und Gesundheitsstandards am Arbeitsplatz. Die Mobilität auf dem europäischen Arbeitsmarkt macht es auch bei Arbeitskontrollen nötig, international zu kooperieren. Besonders wichtig ist, dass die Kommission endlich schwere Verstöße des Arbeitsrechts als Wettbewerbsverzerrung ahndet. Dazu muss eine Sozialklausel in das europäische Wettbewerbsrecht integriert werden.