In der vorerst letzten Aussprache zum Thema Mutterschutz machte die Vertreterin des Rats unmissverständlich deutlich, dass der Richtlinienvorschlag für einen rechtlich verbindlichen Mutterschutz, von mindestens 18 beziehungsweise 20 Wochen, weiterhin keine Mehrheit unter den Mitgliedstaaten findet. Die Kommission unterstrich daraufhin, dass der Vorschlag im nächsten Monat zurückgezogen werden soll. Die Europaabgeordneten zeigten sich über die Argumentation beider Institutionen verärgert und das Europäische Parlament kritisierte in einer Entschließung, dass das Machtspiel des Rates nicht zu akzeptieren sei.
"Über Jahre hinweg kritisierte der Rat an dem Vorschlag, dass die vorgeschlagene Dauer und Entlohnung des Mutterschutzes zu weit gehe. Das EU-Parlament ist dem Rat in dieser Frage aber wiederholt entgegengekommen. Dass der Vorschlag nun plötzlich nicht mehr weitreichend genug sein soll, ist widersprüchlich", erläutert Maria Noichl, frauenpolitische Expertin der SPD-Europaabgeordneten. Die Sozialdemokratin unterstreicht, dass das Europäische Parlament mehrfach Kompromissbereitschaft und Zugeständnisse signalisiert hat, um das wichtige Projekt voran zu bringen.
Auch der SPD-Europaabgeordnete Ismail Ertug zeigt sich enttäuscht: "Der Rat hat uns im Stich gelassen. Daraufhin haben wir Parlamentarier für eine Entschließung gestimmt, die das Verhalten des Rats kritisiert. Unabhängig davon, dass diese Hinhaltetaktik - mit dem Ziel, den Vorschlag letztlich doch zurückzuziehen - ein herber Rückschlag für alle Frauen und Mütter in Europa ist, ist es aber auch vor allem ein Schlag in das Gesicht des Europäischen Parlaments."
Sollte die Kommission den Vorschlag, wie angekündigt, zu Beginn des kommenden Monats zurückziehen, würde ein schwerwiegender Präzedenzfall geschaffen, bei dem eine Institution von einer anderen übergangen wird. Dies würde nicht nur auf die zukünftige Zusammenarbeit der Institutionen gravierende Auswirkungen haben, sondern auch das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die EU nachhaltig schwächen. Diese Missstände kritisiert die heute verabschiedete Entschließung.
Obwohl die Bewältigung der sozialen und demographischen Probleme ganz oben auf der europäischen Agenda stünde, würde "Gleichstellungspolitik in Zeiten der Krise oft hinten angestellt", bemängelt Ertugs Kollegin Maria Noichl.
"Es darf nicht sein, dass Kinder weiterhin für viele Frauen in der EU ein extremes Armutsrisiko darstellen. Ich wünsche mir ein soziales und solidarisches Europa und dafür müssen wir auch alle zusammen einstehen“, so Ismail Ertug.
Die zuständige Kommissarin, Vera Jourova, kündigte noch im kommenden Halbjahr einen neuen, ehrgeizigen Vorschlag an. "Wollen wir hoffen, dass es in diesem Fall nicht nur bei schönen Worten bleibt, sondern dass auch endlich Handlungen folgen", so Noichl und Ertug abschließend.
Hintergrund:
Bei der Mutterschaftszeit handelt es sich um die Zeit direkt vor und nach der Geburt, die vor allem aus gesundheitlichen Gründen unabdingbar ist.