Gesprächsrunde zur Ausstellung "Flucht,Vertreibung und Asyl 1945-2015"

Veröffentlicht am 27.09.2015 in Veranstaltungen

Völkerverständigung vor „Flucht, Vertreibung und Asyl 1945 – 2015“: Bürgermeister Johann Jurgovsky (re.), SPD-Ortsvorsitzender Hubert Wittmann (3.v.re), Abdelhadi (6.v.re.) und Sohn Montaser Sallal (9.vre.), Arbeitskreis Sprecher Rainer Pasta (3.v.li) und Mehari Hayelom (li.) mit den bayerischen, syrischen und eritreischen Teilnehmer die sichtlich Spaß an der gemeinsamen Aktion hatten.

 

Erstes Asylbewerbertreffen machte allen richtig Spaß

Gesprächskreis mit Asylbewerbern im Rahmen der Ausstellung „Flucht, Vertreibung und Asyl 1945 – 2015“

Viele Asylbewerberinnen und Asylbewerber aus Aufhausen und Geiselhöring folgten der Einladung des Arbeitskreises Labertal und des SPD-Ortsvereins Aufhausen zum Gesprächskreis im Rahmen der Ausstellung „Flucht, Vertreibung und Asyl 1945 – 2015“ in der Aufhausener Schule am vergangenen Donnerstag.

Nach kurzer Begrüßung durch Ortsvorsitzenden Hubert Wittmann erklärte Arbeitskreis-Sprecher Rainer Pasta die Intension der Ausstellung, „Flucht und Vertreibung im Zusammenhang mit der heutigen Asylproblematik aufzuzeigen“. Die Ausstellung beschäftigt sich mit der Ankunft evangelischer Christen vorwiegend aus Schlesien im katholischen Niederbayern. Am Beispiel der Neugründungen evangelischer Christen im Münsterland wird die Problematik der Integration von 14 Millionen Flüchtlingen und Vertriebenen im zerstörten Deutschland aufgezeigt. Nicht immer willkommen, oft nicht verstanden und in Sitten, „Gebräuchen und Religion den Einheimischen fremd, war das Ankommen und Einleben nicht immer ein einfach“.

Beim Rundgang durch die Ausstellung zeigten sich die Asylbewerber aus Syrien und Eritrea verwirrt und verwundert über die Bilder und Texte die sie sahen. Oftmals fragten sie nach, was denn das bedeute und was denn das soll, wenn sie Flüchtlingstrecks anno 1945 sahen, die mit Pferdewagen oder zu Fuß, mit oft nur einem Bündel auf dem Rücken, dargestellt waren. Auch die ungeheure Zahl von 14 Millionen weckte Irritation und Zweifel. Als sie dann die Bilder der zerstörten Städte, die Karte der ehemaligen deutschen Ostgebiete mit den aufgezeigten Fluchtrouten sahen, erinnerte es sie sehr an ihr eigenes Schicksal. Die Neuankömmlinge erkannten, dass sie nicht die ersten sind, die hier als Fremde eine neue Heimat suchen. Doch auch die Bilder von weißen Strichen auf dem Schulhof, die evangelische von katholischen Kindern trennten, die wiedergegebenen Verwünschungen, die die „Flüchtlinge 1945“ erfuhren, als sie zwangseinquartiert wurden, zeigten, dass eine Willkommenskultur gegenüber Fremden den Menschen nicht automatisch in die Wiege gelegt wird.

Doch das versöhnliche Ende, die gelungene Integration der evangelischen Christen in unsere Gemeinden, der Abbau von Vorurteilen und Resantiments aber auch die Belebung unserer Gemeinden mit ihrer Kultur, ihrem Wissen und neuen Arbeitstechniken zum Wohle aller, wurde gezeigt und machte den Flüchtlingen 2015 große Hoffnung, dass auch sie hier eine neue Heimat finden werden. Anschließend setzten sich die verschiedenen Volksgruppen zusammen und unterhielten sich. Vor allem die Einheimischen interessierten sich sehr für die Ursachen der Flucht und den langen Weg ins Labertal. So lauschten sie interessiert den Erzählungen zweier Asylbewerber.

In einem seeuntüchtigen Boot übers Mittelmeer

Mehari Hayelom (26), der älteste von 9 Kindern (4 Schwestern, 4 Brüder) stand in der Ausbildung zum Lehrer, als er seine Heimat Eritrea am 10.10.2010 verließ. Er kam am 27. September 2013 in Italien an. Sein weiterer Weg führte ihn am 13. Juli 2014 nach Deutschland und seit September 2014 lebt er in Geiselhöring.

Mehari Hayelom berichtete, dass er 1989 in Adi-Etay, in der Gegend um Mendefera geboren wure. „Von 1995 bis 2009 ging ich zur Schule, zuerst zur Grundschule, später auf eine weiterführende Schule. Als ich von 2006 bis 2010 zum Wehrdienst eingezogen wurde, war es mir möglich, meine Ausbildung im Militärzentrum Sawa neben dem Militärtraining fortzusetzen“. Während seines Lebens in Eritrea war die schlimmste Erfahrung, die er gemachte, die soziale Diskriminierung. „Meiner Familie widerfuhr dies durch die Bewohner unseres Dorfes. Weitere Gründe für die Flucht waren Korruption und die zunehmend verfallende, undemokratische und kriminelle Regierung. (…)“

„Diese Dinge bewogen mich zu meiner Entscheidung, aus Eritrea zu fliehen. Ich floh im Oktober 2010 in den Sudan, wobei ich und 5 weitere Flüchtlinge bei dem Versuch, die Grenze zu überqueren, beschossen wurden. Diejenigen, die Glück hatten, kamen davon und ich war einer von ihnen“. Kurz darauf wurde er jedoch 5 Monate lang von sudanesischen Soldaten inhaftiert, da er keinen Pass vorweisen konnte. Nach einer entsprechenden Geldzahlung wurde er freigelassen und lebte und arbeitet im Sudan. „Drei Jahre später setzte ich meinen Weg nach Libyen fort, wurde allerdings erneut für zwei Monate, diesmal von libyschen Soldaten, festgenommen. Wir mussten sehr viel leiden, da die Gefängniswächter uns wie Tiere behandelten“. Es gab keine Gesundheitsversorgung, wenig zu essen und regelmäßige Misshandlungen. „Einige der Soldaten waren auch drogensüchtig und manche kamen mitten am Tag ins Gefängnis und schossen an die Decke, um uns einzuschüchtern“. Als sie schon fast die Hoffnung verloren hatten, fanden sie eines Nachts einen Schlüssel, den ein Wärter liegen gelassen hatte, nachdem er entsprechend bezahlt wurde und Mehari flüchtete mit rund 200 anderen spät in der Nacht. Weiter ging seine Reise durch die Sahara an Mittelmeer. „Nach vielen gefährlichen Ereignissen auf meiner Schiffsreise in einem seeuntüchtigen Boot kam ich dann schließlich in Italien an. Ich war voller Hoffnung, dass Italien meine Bewerbung auf Asyl akzeptieren würde.“ Doch als die gerade geretteten Flüchtlinge registriert werden sollten und sie nicht gleich den Aufforderungen der Polizei nachkamen, ihre Fingerabdrücke abzugeben, wurde die Registrierung mit Schlagstöcken und Elektroschocks durchgesetzt. „Dabei fühlte ich mich an die eritreische Regierung erinnert. Ich versuchte möglichst schnell mit Hilfsarbeiterjobs genug Geld zu bekommen um meinen Weg bis nach Deutschland fortsetzen zu können. Was ich mir am meisten wünsche ist, als Mensch mit den gleichen Rechten wie jeder andere respektiert zu werden und endlich Frieden zu haben. Vielen Dank für die Gelegenheit, dieses zu erzählen“.

Mehari Hayelom hofft auf ein Bleiberecht in Deutschland. Hier möchte er eine Ausbildung machen, die es ihm ermöglicht mit Menschen zu arbeiten, denn darin sieht er seine Berufung. Bisher arbeitete er ehrenamtlich im Jugendtagungshaus in Geiselhöring, der Unterkunft für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Anschließend hospitiert er im Kindergarten. Mehari ist der zentrale Ansprechpartner in der Asylbewerberunterkunft

und unverzichtbares Bindeglied zum Helferkreis. Er unterstützt seine Mitbewohner in vieler Hinsicht, vor allem organisatorisch und in dem er für sie übersetzt.

Für viel Geld auf der Balkanroute nach Deutschland

Vater Abdelhadi und Sohn Montaser Sallal aus Syrien erzählten eine ganz andere Fluchtgeschichte über die Balkanroute aus der Türkei nach Deutschland. Die Familie Sallal gehörte in Syrien zur Oberschicht, der Vater besaß eine Fabrik, die Familie hatte 3 Autos, die Kinder wurden gut ausgebildet. Doch der Krieg zerstörte die Arbeits- und Lebensgrundlage der Familie, so dass sie in die Türkei floh. Dort lebten sie ein Jahr in einem Flüchtlingslager. Da die Verhältnisse vor Ort immer schlechter wurden und es nicht absehbar war, dass sich in der Heimat Syrien etwas zum Besseren verändert, beschloss Vater Abdelhadi und der älteste Sohn Montaser sich auf den Weg nach Deutschland zu machen. Die Mutter und der jüngste Sohn (14) blieben im Lager zurück, weil sie die beschwerliche Reise nicht auf sich nehmen konnten. Viel Geld bezahlten die beiden Männer, 6000 Euro ein jeder, um mit einem Schlauchboot die gefährliche Passage zwischen der Türkei und Griechenland, bei der schon viele Menschen starben, zu überqueren und dann per Bus, bzw. weite Strecken in Mazedonien und Serbien zu Fuß, über Ungarn, Österreich nach Deutschland zu kommen. Unter freiem Himmel galt es zu übernachten, an Schlaf nur wenig zu denken, denn wer von der Polizei erwischt wurde, den schickte man nach Griechenland zurück – nur um es bei nächster Gelegenheit erneut zu versuchen.

Abdelhadi Sallal mit Hubert Wittmann – sein größter Wunsch: Eine Wohnung zu finden und mit seiner Frau und seinem jüngsten Sohn endlich wieder vereint zu sein

 

Heute leben Abdelhadi und Montaser Sallal bereits 9 Monate in Aufhausen und warten auf ihre Anerkennung als Kriegsflüchtlinge. Durch den persönlichen Einsatz eines Nachbarn und Freundes lernte Montaser schnell und gut Deutsch, so dass er jetzt in einer Bäckerei in Alteglofsheim eine Arbeit gefunden hat. Doch die beiden Männer haben nur einen Gedanken: Schnell nach ihrer hoffentlich bald erfolgten Anerkennung eine Wohnung und Arbeit zu finden, um den Rest der Familie nachholen zu können. Mehrmals täglich haben sie zu Mutter und Ehefrau, zu Sohn und Bruder per Mobilfunk Kontakt und wissen um die sich stets verschlechternden Bedingungen in dem türkischen Auffanglager.

Schutz in der Gruppe und mit Kopftuch aus Überzeugung

Eine Gruppe syrischer Frauen erzählte auf Anfrage, wie sich denn die Flucht für Frauen gestaltet, die weitaus gefährdeter sind als Männer. Hierzu erfuhren die Zuhörer, dass die Frauen immer als größere Gruppe unterwegs sind und sich so und mit Hilfe der mitreisenden Männer bestmöglich schützen. Sie gehen und schlafen in der Mitte der Gruppe, durch die Männer von außen abgeschirmt. Dabei ist es egal, ob die Frauen zur Familie gehören oder nicht – alle helfen sich gegenseitig. Die älteren beiden Syrerinnen flüchteten und leben ohne ihre Männer in Aufhausen, deshalb zeigten sie sich auch sehr amüsiert über die weitverbreitete Ansicht, dass alle muslimischen Frauen zum Tragen des Kopftuches durch ihre Männer gezwungen werden. „Wir haben keine Männer, die uns dazu zwingen könnten, wir machen es aus Überzeugung, weil es zu unserer Religion und unserer Kultur gehört“, so die überzeugende Auskunft. Die Mutter von Gemeinderat Karl-Heinz Mass erinnerte sich dazu, dass es auch bei uns üblich war, dass die Frauen Kopftuch und Schürze trugen. Sie könne sich noch gut daran erinnern und erst seit wenigen Jahrzehnten habe sich das geändert.

Hubert Wittmann regte an, ähnlich wie in Geiselhöring, ein regelmäßiges Treffen zwischen Helferkreis,, Asylbewerbern und der Bevölkerung zu organisieren und fand Unterstützung bei Bürgermeister Johann Jurgovsky und den Anwesenden. Die Ausstellung „Flucht, Vertreibung und Asyl 1945 – 2015“ ist ab Sonntag für eine Woche in der Kreuzkirche in Geiselhöring zu sehen.

 

  

Projekt 2016 - Schuld & Sühne?

„Historischen Themennachmittage" im Labertal

Die intensive Auseinandersetzung mit der Vergangenheit ist wichtig um die Gegenwart zu verstehen und der Zukunft zu vertrauen. Der AK Labertal will fundierte Geschichtsbewältigung unter sozialdemokratischen Gesichtspunkten anbieten Es gibt nichts zu glorifizieren, nichts zu beschönigen und schon gar nichts zu rechtfertigen. Wir wollen aber auch nicht anklagen und verurteilen - keiner von uns kann heute sagen, wie er sich selbst verhalten hätte, in einer anderen Zeit.

- Rückblick -
Der SPD-Arbeitskreis Labertal hat mit dem „Historischen Themennachmittag“ zur Schierlinger Muna am 24. Januar 2010 begonnen, sich mit den Ereignissen vor 65 Jahren genauer zu beschäftigen. Neben dem „Wunder von Schierling“ sollt der Blick auch auf die Todesmärsche durch das Labertal gelenkt werden.

Die Brüder Gandorfer beschäftigten den AK am historischen Datum 7. November 2010 in Pfaffenberg.

Im Spätherbst 2011 wurde mit "Die Engel von Laberweinting" erneut an das Thema "65 Jahre Kriegsende" angeknüpft. 62 tote Kinder in nur wenigen Monaten, so die Bilanz des Entbindungs- und Kinderheims für Fremdländische.

Der letzte „Historische Themennachmittag“„GELINZT - Euthanasie- Opfer aus dem Labertal“ fand am 4. März in Geiselhöring statt. Das Thema wurde mit einer Informationsfahrt am 14. April an den Gedenkort Hartheim bei Linz abgerundet.

Die Dokumentationen zu den Themennachmittagen (oder den Bonhoeffer-Wochen) sind unter www.agentur-labertal.de zu bestellen!

Projekt 2015 - Flucht, Vertreibung und Asyl

Flucht, Vertreibung und Asyl 1945 / 2015

Sonstiges

 

120 Jahre BayernSPD - Im Dienst von Freiheit und Demokratie Frauen sind in der rechtsextremen Szene keine Seltenheit mehr – sie sind die „nette“ Nachbarin oder betreiben Biolandbau und verkaufen „Deutschen Honig“ und unterwandern so die Gesellschaft mit neonazistischem Gedankengut. Die Ausstellung „Braune Schwestern“ aus Österreich war 2012 erstmals in Niederbayern zu sehen und beschäftigt sich mit der Symbolik, den Liedern und dem Gedankengut der rechtsextremen Frauenszene.