Ausstellung "Fluch,Vertreibung und Asyl" in Neufahrn

Veröffentlicht am 15.01.2016 in Veranstaltungen

Text: Cornelia Bottke, Allgemeine Laber Zeitung

v.l.n.r.: Pfarrer Jörg Gemkow, Rainer Pasta, Ruth Müller, Ernst Linhart, Bürgermeister Peter Forstner, stellvertretender Bürgermeister Sebastian Hutzenthaler und Lisa Begemann (sitzend)

Besonders schlimm war der „Ehrverlust“

33 Tage durch die Winterkälte – Erzählungen von einem Flüchtlingstreck 1945 weckten Emotionen am Samstagabend in der Evangelischen Friedenskirche in Neufahrn. Denn die Abschlussveranstaltung der Wanderausstellung „Irgendwo auf der Welt – Flucht, Vertreibung und Asyl 1945 – 2015“ stand auf dem Programm. Dabei erzählten auch Zeitzeugen, beziehungsweise deren Nachkommen von ihren Erlebnissen. Organisiert wurde die Wanderausstellung vom SPD Arbeitskreis Labertal.

Zum Abschluss der Ausstellung fanden sich neben zahlreichen Besuchern aus dem Ort auch Landtagsabgeordnete Ruth Müller, Rainer Pasta vom SPD Arbeitskreis, Pfarrer Jörg Gemkow, Bürgermeister Peter Forstner, stellvertretender Bürgermeister Sebastian Hutzenthaler (Ergoldsbach), stellvertretender Bürgermeister Otto Pritscher (Neufahrn) und einige Gemeinderatsmitglieder ein.

Pfarrer Gemkow und Bürgermeister Peter Forstner freuten sich über das große Interesse an der Ausstellung. Die Friedenskirche in Neufahrn war die 15. Station der Wanderausstellung in Niederbayern. Sie fand in fünf Landkreisen in 15 Kirchengemeinden statt. Nun wandert die Ausstellung nach Schwaben. Ziel der Ausstellung ist es, den persönlichen Horizont und die Erfahrungen zu erweitern, sowie den jüngeren Generationen die Vergangenheit der Kriegsflüchtlinge näher zu bringen.

Zwei Zeitzeugen erzählten ihre Geschichten der Flucht vor dem Krieg. Lisa Begemann ist im Jahr 1945 vor der Besetzung Schlesiens durch die Russen nach Niederbayern geflohen. Ernst Linhart erzählt die Geschichte seines Großvaters – überliefert durch Aufzeichnungen. Beide Geschichten verbindet der „Winkler Treck“. Das war der Zug mit dem sowohl Lisa Begemann als auch Reinhold Winkler, Linharts Großvater, von Tillendorf nach Oberellenbach geflüchtet sind.

Lisa Begemann floh mit 17 Jahren aus ihrer Heimat und hatte nur einen Rucksack und eine Tasche bei sich. Am 9. Februar 1945 begann die Flucht mit dem „Treck“ aus Tillendorf. Bevor sie sich dem Treck anschließen konnte, musste ein weiter Fußmarsch zurückgelegt werden. 1945 herrschte ein strenger Winter mit klirrender Kälte, heftigen Schneestürmen und eisigen Winden, was die Flucht erschwerte.

Angekommen am „Zug“ – die Flüchtlinge waren mit Pferden, Wagen und Leiterwägelchen, nur beladen mit dem Allerwichtigsten, unterwegs – ging die Fahrt los über das Sudetenland, durch das „Isergebirge“ und das „Lausitzer Gebirge“ Richtung Westen, durch das Gau Bayreuth (Oberfranken, Oberpfalz und Niederbayern) über Regenstauf, Burgweinting, Hagelstadt und schließlich zur Endstation nach Oberellenbach. Der Treck erreichte nach 33 Tagen am 14. März 1945 Oberellenbach. Dort wurden die Flüchtlinge auf Privatquartiere aufgeteilt. Reinhold Winkler war der Treckführer auf dem Weg von Tillendorf nach Oberellenbach, deshalb auch der Name „Treck Winkler“. Im Treck befanden sich Personen im Alter von 15 bis 76 Jahren. Seine Aufgabe war es, die Flüchtlinge von Ort zu Ort zu bringen und auf die dortigen Unterkünfte zu verteilen, bis die Endstation Oberellenbach erreicht ist. Als Treckführer bekam er in jedem Ort neue Pläne zu den weiteren Laufwegen, Weiterfahrten und Umleitungen.

Auch in der „neuen Heimat“ angekommen hatten die Flüchtlinge ein schweres Leben. Besonders schlimm für sie war der Ehrverlust. In Schlesien noch angesehene Leute wurden sie in Niederbayern als „Rucksackdeutsche“ und „Tagelöhner“ betitelt. Für die lebenswichtigen Dinge wie Kleidung, Unterkunft, Essen und vieles mehr musste hart und unter schweren Bedingungen gearbeitet werden. Nach der Flucht aus der „Alten Heimat“ ist die Zahl der Evangelischen Christen erheblich angestiegen.

Dadurch wurde die Rufe nach einem eigenen Pfarrer und einer eigenen Kirche immer lauter. Die Flüchtlinge mussten nicht lange warten und ihr Wunsch wurde erfüllt. Die Erlus AG stiftete dazu einen Taufstein, der aus dem Boden besteht, auf dem die Kirche gebaut ist. Jeder der Kriegsflüchtlinge hat die Möglichkeit an einer Kette, die um den Taufstein gespannt ist, seinen Hausschlüssel aus der alten Heimat aufzuhängen. Dadurch sollte die Verbindung zwischen der alten und neuen Heimat geschaffen werden.

Pfarrer Gemkow las einen Auszug aus dem Tagebuch von Klara Eckert aus Asenkofen vor, die ebenfalls 1945 von Schlesien nach Neufahrn geflohen ist und die Strapazen der Flucht beschrieb.

Landtagsabgeordnete Ruth Müller erzählte, dass die Idee für die Ausstellung aus einem Gespräch mit einer älteren Dame stammte, die ebenfalls aus Schlesien geflohen ist. Es ist wichtig die Geschichte und Vergangenheit, die die Region geprägt haben, lebendig werden zu lassen. Der Titel der Ausstellung stammt von dem Lied „Irgendwo auf der Welt“ der Comedian Harmonists, um zu zeigen, dass viele der Flüchtlinge hofften, Freiheit, Zuversicht und neue Chancen irgendwo auf der Welt zu finden. Als Abschluss bedankte sich Bürgermeister Peter Forstner bei all jenen, die bei der Ausstellung in der Friedenskirche mitgewirkt und diese unterstützt haben.

 

 

  

Projekt 2016 - Schuld & Sühne?

„Historischen Themennachmittage" im Labertal

Die intensive Auseinandersetzung mit der Vergangenheit ist wichtig um die Gegenwart zu verstehen und der Zukunft zu vertrauen. Der AK Labertal will fundierte Geschichtsbewältigung unter sozialdemokratischen Gesichtspunkten anbieten Es gibt nichts zu glorifizieren, nichts zu beschönigen und schon gar nichts zu rechtfertigen. Wir wollen aber auch nicht anklagen und verurteilen - keiner von uns kann heute sagen, wie er sich selbst verhalten hätte, in einer anderen Zeit.

- Rückblick -
Der SPD-Arbeitskreis Labertal hat mit dem „Historischen Themennachmittag“ zur Schierlinger Muna am 24. Januar 2010 begonnen, sich mit den Ereignissen vor 65 Jahren genauer zu beschäftigen. Neben dem „Wunder von Schierling“ sollt der Blick auch auf die Todesmärsche durch das Labertal gelenkt werden.

Die Brüder Gandorfer beschäftigten den AK am historischen Datum 7. November 2010 in Pfaffenberg.

Im Spätherbst 2011 wurde mit "Die Engel von Laberweinting" erneut an das Thema "65 Jahre Kriegsende" angeknüpft. 62 tote Kinder in nur wenigen Monaten, so die Bilanz des Entbindungs- und Kinderheims für Fremdländische.

Der letzte „Historische Themennachmittag“„GELINZT - Euthanasie- Opfer aus dem Labertal“ fand am 4. März in Geiselhöring statt. Das Thema wurde mit einer Informationsfahrt am 14. April an den Gedenkort Hartheim bei Linz abgerundet.

Die Dokumentationen zu den Themennachmittagen (oder den Bonhoeffer-Wochen) sind unter www.agentur-labertal.de zu bestellen!

Projekt 2015 - Flucht, Vertreibung und Asyl

Flucht, Vertreibung und Asyl 1945 / 2015

Sonstiges

 

120 Jahre BayernSPD - Im Dienst von Freiheit und Demokratie Frauen sind in der rechtsextremen Szene keine Seltenheit mehr – sie sind die „nette“ Nachbarin oder betreiben Biolandbau und verkaufen „Deutschen Honig“ und unterwandern so die Gesellschaft mit neonazistischem Gedankengut. Die Ausstellung „Braune Schwestern“ aus Österreich war 2012 erstmals in Niederbayern zu sehen und beschäftigt sich mit der Symbolik, den Liedern und dem Gedankengut der rechtsextremen Frauenszene.